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Betrieb hinter alten Klostermauern

von Christine Reith 

Das Franziskaner-Kloster auf dem Frauenberg ist nicht nur Wahrzeichen und religiöses Zentrum. Es bietet auch 112 Menschen einen Arbeitsplatz und damit Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben. Ein Besuch hoch über Fulda.

Ruhig ist es an diesem Morgen im Kloster auf dem Frauenberg. Doch hinter den Klostermauern herrscht – von außen beinahe unbemerkt – fast so viel Betrieb wie in den Bienenstöcken am Klosterhang: Mehr als hundert Menschen gehen hier ihrer täglichen Arbeit nach. Wie unterschiedlich diese aussieht und wie unterschiedlich die Menschen sind, die hier arbeiten, erfährt man in den verschiedenen Abteilungen.

 

„Ein großes Geben und Nehmen“
Der erste Stopp führt in den Klostergarten, das grüne Herz des Klosters. Überall blüht es, neue Bänke laden zu einer Pause ein, der Tee-Pavillon ist frisch gestrichen, und die Kräuterbeete sind üppig bewachsen. Dass alles so gepflegt wirkt, ist auch das Werk von Marvin Harth. Der junge Mann aus Petersberg-Steinau, der eine Förderschule besucht und lange nach einem Arbeitsplatz gesucht hat, kümmert sich mit Hingabe um die Anlage: mäht, jätet, schneidet, kehrt, entsorgt den Müll und pflegt Gräber auf dem nahen Friedhof. „Haus-Hof-und-Gartenmeister“ könnte man ihn nennen. „Ich mag meine Arbeit auf dem Frauenberg“, sagt Marvin Harth. „Ich habe viele Freiheiten, kann mir bei Problemen aber jederzeit Hilfe holen, und ich helfe selbst Kollegen, die mehr Unterstützung brauchen. Es ist hier ein großes Geben und Nehmen.“

Während Marvin Harth weitergießt, bereitet Lisa Stein in der Küche vom FLORA klostercafé das Frühstück zu. Am liebsten arrangiert die 27-Jährige die Etageren mit süßen oder deftigen Komponenten. Auch sie hat eine Förderschule besucht und – nach ihrer Ausbildung zur Fachpraktikerin Hauswirtschaft – lange nach einem passenden Job gesucht. Vor sieben Jahren kam sie auf den Frauenberg. „Mir hat es schon beim Probearbeiten gefallen: Alle sind freundlich zueinander und die Arbeit ist vielseitig“, erzählt die junge Servicekraft. „Wir haben zwar über die Jahre immer mehr zu tun, aber ich finde die Betriebsamkeit gut und bringe mich gerne überall ein: beim Bedienen, in der Küche oder am Grill bei Veranstaltungen.“

Immer mehr los auf dem Frauenberg

Philipp Krah bestätigt, dass auf dem Frauenberg immer mehr los ist: „Das Grundrauschen ist deutlich intensiver geworden“, sagt der Abteilungsleiter des Frauenbergs von antonius. „Das Angebot wird von den Bürgerinnen und Bürgern sehr gut angenommen. Veranstaltungen und Märke sind in der Regel reichlich besucht, das Klostercafé wird mehrmals in der Woche für Firmen- oder Familienfeste von der Taufe bis zum Tröster gebucht, und die Auslastung des Tagungshauses beträgt mehr als 90 Prozent.“ Auch die Klosterküche – die diverse Fuldaer Firmen-Kantinen mit Mittagessen beliefert –, die Wäscherei und Schneiderei hätten gut zu tun.

Selbstverständlich achte antonius stets darauf, „den Bogen nicht zu überspannen“ und den Ort ganz im Sinne der Franziskaner und in enger Absprache mit ihnen weiterzuentwickeln. Auch Pater Cornelius, der Guardian der Brüdergemeinschaft, freut sich darüber, dass das alte Kloster für so viele Menschen eine neue Zukunftsperspektive bieten kann. Zugleich bleibe es aber auch eine gemeinsame Aufgabe der Brüder und antonius, diesen besonderen Ort hoch über Fulda als wirklich geistlichen Ort zu erhalten und „nicht zu einer Event-Location auszubauen“, wie er sagt. Provinzialminister Bruder Markus Fuhrmann, der oberste Franziskaner Deutschlands, nennt die Zusammenarbeit zwischen seinem Orden und dem inklusiven Netzwerk „fruchtbar“ und wünscht sich eine Fortsetzung der Kooperation.

Wertvolle Arbeitsplätze auch für die Zukunft

Seit die Franziskaner und das Netzwerk antonius : gemeinsam Mensch im Jahr 2017 ihre Zusammenarbeit eingingen, um den Frauenberg in die Zukunft zu führen, arbeiten hier Menschen mit und ohne Behinderung Seite an Seite.

Von den aktuell 112 Mitarbeitenden hat rund die Hälfte eine Behinderung. 42 Personen haben einen Anspruch auf einen Arbeitsplatz in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Für zehn Personen – darunter Lisa Stein und Marvin Harth – schuf antonius „Inklusionsarbeitsplätze“: Sie haben Einschränkungen, zahlen aber in die Sozialversicherung ein anstatt staatliche Leistungen zu beziehen. Vier junge Menschen absolvieren eine Ausbildung in Küche, Service und Schneiderei. Kurz: Jeder erhält hier Perspektiven und zugleich die passende Unterstützung.

„Die Arbeitsplätze zeigen, wie wertvoll die Kooperation zwischen den Franziskanern und antonius ist“, sagt Christian Bayer, als antonius-Geschäftsführer für den Frauenberg verantwortlich. „Wir sind voller Zuversicht, dass diese erfolgreiche Zusammenarbeit zukunftsfähig ist und Unterstützung erfahren wird – selbst wenn momentan noch nicht klar ist, wie es nach 2027 weitergeht, wenn die aktuellen Verträge zwischen dem Bistum als Immobilien-Eigentümer und dem Orden als auch zwischen den Franziskanern und antonius auslaufen.“

Echte berufliche Teilhabe durch „Fuldaer Weg“

Ziel auf dem Frauenberg ist es, Menschen mit Behinderung den Weg aus dem klassischen Hilfesystem zu weisen und echte Teilhabe im Beruf zu erreichen. „Mit diesem Konzept – wir nennen es ‚Fuldaer Weg‘ – sind wir im Laufe der letzten Jahre über uns hinausgewachsen“, beschreibt es Philipp Krah. „Der tägliche Betrieb verbunden mit den wirtschaftlichen Zwängen fordert uns viel ab. Er bietet uns aber auch die Möglichkeit, unter realen Bedingungen Menschen Arbeit zu geben, die sonst dazu keine Chance hätten.“ Manche schaffen so den Sprung in einen externen Betrieb.

Rund ein Dutzend Ehrenamtliche unterstützt die Festangestellten, etwa beim Fahrdienst oder in der Schneiderei. Der Förderverein „Freunde des Frauenbergs“ engagiert sich für die Zukunft des Klosters, zu der die Arbeitsplätze einen wesentlichen Beitrag leisten.

Fotos: Ralph Leupolt

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