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Den Menschen zugewandt, humorvoll und mit Ecken und Kanten

Tanja Preis gehörte zu jenen Personen, die den Geist von antonius gelebt haben. Sie war eine der bekanntesten Persönlichkeiten bei antonius. Vermutlich gibt es nur wenige, die so viele intensive Beziehungen zu Bewohnern und Kollegen eingegangen sind und diese über die Jahre hinweg gepflegt haben.
Bereits vor 33 Jahren kam sie zu antonius. Und zwar unmittelbar nach ihrem Sozialpädagogikstudium an der Hochschule Fulda. Im Rahmen ihres Anerkennungsjahres war sie zunächst auf der Wohngemeinschaft Goretti tätig. Schon zwei Jahre später übernahm sie die Gruppenleitung der Wohngemeinschaft Hildegard, der sie insgesamt 14 Jahre treu blieb. Das ist bereits fast die Hälfte ihrer gesamten Zeit bei antonius. In dieser langen Zeit wirkte sie erfolgreich und setzte Maßstäbe.
Nicht immer diplomatisch oder blumig, sondern direkt, temperamentvoll und herzlich setzte sie sich für die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner ein. Beeindruckend war, dass sie alle Bewohnerinnen und Bewohner beim Namen gekannt hat. Immer war sie am persönlichen Befinden der Kolleginnen und Kollegen interessiert. Auch zu vielen Angehörigen pflegte sie bis zuletzt einen persönlichen Kontakt und hatte einen großen Fundus an bleibenden Erinnerungen angesammelt.
Tanja Preis übernahm stets Verantwortung, wenn es notwendig war und drückte sich nie vor Entscheidungen. So auch im Jahr 2006, als Herr Sippel sie zu Hause anrief und fragte, ob sie die Assistenz für die Heimleitung übernehmen könne. Ihre Antwort war nach kurzem Innehalten: Ja!. „Schluss mit Chucks“, sagte sie später ironisch und kleidete sich erstmal neu ein. So wechselte sie Anfang Dezember 2006 als Leiterin „Stationäres Wohnen Erwachsene“ ihr Aufgabengebiet. Ab 2007 wurde daraus der „Lebensbaum“, den sie gemeinsam mit Rosemarie Müller führte. Auch als im selben Jahr das Leitungsteam von antonius gegründet wurde, scheute sie sich nicht, Verantwortung zu übernehmen. So stand sie viele Jahre als Mitglied der Geschäftsleitung für das „Wohnen“ und insbesondere für die Interessen der Bewohner, die sie mit viel Herzblut und auch mal vehement  – wenn es ihr notwendig erschien – verteidigte.
Als pädagogische Expertin bereitete sie das „Wohnen“ fachlich auf die Personenzentrierung vor – weit vor dem Bundesteilhabegesetz. Tanja Preis führte das Thema Integrierte Teilhabeplanung (ITP) mit unglaublich viel Energie. Legendär sind ihre ITP-Samstags-Nachmittage. Damit erwarb sie sich große Verdienste, von denen antonius bis heute profitiert.
Auch die Geschichte des Hauses war ihr ein großes Anliegen. So widmete sie sich nicht nur der Aufarbeitung der Geschehnisse in der NS-Zeit, sondern auch dem Thema der Heimerziehung von den 50-er bis in die 70-er Jahre. Mit Leidenschaft und Präzision arbeitete sie die Historie auf. Aus diesem Engagement entstanden zwei kleine Bücher, an denen sie mitgearbeitet hat. Als über das Hilfsprojekt „Stiftung und Anerkennung“ Entschädigungszahlungen an Bewohnerinnen und Bewohner geleistet wurden, führte sie sehr viele Interviews mit Betroffenen und organisierte den Prozess. Mit dieser Arbeit hinterließ sie tiefe Spuren.
Auch während der Corona-Pandemie übernahm Tanja Preis Verantwortung, setzte sich für die Umsetzung der Verhaltensregeln und die große Impfaktion engagiert ein. Auch formulierte sie wöchentlich den Corona-Rundbrief. Ihrer kreativen Art ist es zu verdanken, dass ihre Bürogefährten, die Spielzeugfiguren Asrael, Dino und Frosch, der antonius Gemeinschaft anschaulich die aktuellen Verhaltensregeln erklärten.
Zum 1. Januar 2021 wurde Tanja zur Prokuristin in der antonius : gemeinsam leben gGmbH berufen. Nun übernahm sie neue Aufgaben wie die Vertretung von antonius in verschiedenen Gremien oder bei Kostenträgern und Behörden wie dem Landeswohlfahrtsverband (LWV) sowie Stadt und Landkreis. Auch die Gestaltung von konzeptionellen und strukturellen Veränderungen durch das Bundesteilhabegesetz forderten ihre Aufmerksamkeit. Die Umstellung, sich fortan aus dem operativen Geschäft herauszuhalten, fiel ihr nicht immer leicht. In temperamentvollen Diskussionen wurde um die besten Lösungen für antonius gerungen, stets im respektvollen Miteinander.
Dass Tanja Preis nicht nur bei antonius arbeitete, sondern geradezu lebte, zeigte sich sicherlich auch daran, dass sie Fred – ihren Ehemann - bei antonius kennen und lieben lernte. An ihrer Hochzeit nahm gefühlt die ganze antonius Gemeinschaft teil. Unvergessen bleibt auch ihr 50. Geburtstag. Im antonius Café feierte sie mit vielen Kollegen, Freunden und der Familie ein rauschendes Fest. Zum Thema „Bollywood“ tanzten alle indisch durch die Nacht – auch dies ein Zeichen für ihre Verbundenheit zu den indischen Schwestern bei antonius und der indischen Kultur generell.
Tanja Preis war eine geschätzte Kollegin und Wegbegleiterin: Mit Ecken und Kanten, ehrlich, humorvoll, mit Herz und Verstand, nie nachtragend. Sie hat mit viel Energie Ziele mit Blick auf ganz antonius verfolgt und ihre Standpunkte diskussionsfreudig verteidigt. Ganz im Sinne des Stiftungsauftrags war Tanja Preis eine echte Brückenbauerin - zwischen Bewohnern, Kollegen, Angehörigen und Ehrenamtlichen sowie externen Diensten und Partnern. Die antonius Gemeinschaft hat ihr viel zu verdanken und wird sie sehr vermissen. Ihre unnachahmliche Art bleibt unvergessen. Für jeden war es schön und eine Bereicherung, mit ihr leben und arbeiten zu dürfen.
So, wie sich Tanja Preis stets verabschiedete, rufen wir ihr zu: „Mach es schön gut!“

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