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„Für mich war immer klar: Ich werde Bauer“
von Alexander Gies
34 Jahre war Peter Linz für die Landwirtschaft im Netzwerk antonius zuständig. Der heute 63-Jährige gilt als ein Pionier des ökologischen Landbaus im Landkreis Fulda und leitete zeitweise den antonius Hof als größten Bioland-Betrieb in Hessen. Dabei war es ihm stets wichtig, Menschen mit Lernbeeinträchtigungen nicht nur irgendeine Beschäftigung zu geben, sondern eine echte Arbeit, die sinnvoll und wertschöpfend ist. Jetzt geht er in Rente.
„Ich werde bestimmt zuerst mal ein, zwei Tage länger schlafen. Aber dann muss ich wieder was anpacken“, sagt Peter Linz und schmunzelt. Die Landwirtschaft wird ihn auch im Ruhestand nicht loslassen. Doch jetzt schaut er erst einmal zurück. „Für mich war immer klar: Ich werde Bauer“, betont Linz. Die Berufung war ihm schon in die Wiege gelegt. Seine Eltern bewirtschafteten in Prichsenstadt in Unterfranken einen Bauernhof mit 45 Hektar Acker. „Die Landwirtschaft hat mir immer Spaß gemacht. Die Rolle als Hoferbe habe ich gerne angenommen“, sagt Linz. Es war aber auch die Zeit des Club of Rome und anderer Wissenschaftler, die davor warnten, dass die Welt nicht weiter folgenlos Raubbau an der Natur treiben könne. „Wir können so nicht weitermachen. Das war mir klar“, sagt Peter Linz, der fortan „Landwirtschaft anders denken“ wollte. Darin bestärkt wurde er im Studium am ersten Lehrstuhl für ökologischen Landbau in Deutschland an der Gesamthochschule Kassel. 1984 hielt er das Diplom als Agraringenieur in den Händen.
Bei seinem Vater stieß er mit seiner Haltung auf wenig Verständnis. Dass Peter eine Friedenstaube ans Küchenfenster klebte und mit seiner Frau Marmelade einkochte, das war seinem Vater suspekt. Irgendwann lagen sie überkreuz. Ein klassischer Generationenkonflikt. Der Sohn sah es nicht ein, seine Überzeugungen aufzugeben und suchte Alternativen. Nach einer Fortbildung im Bereich Marketing und IT bewarb er sich sogar als Sprecher der bayerischen Grünen. Den Posten verpasste er nur knapp. In dieser Zeit öffnete sich aber eine andere Tür: antonius in Fulda suchte 1989 einen Betriebsleiter für seine Landwirtschaft. Linz griff zu. Landwirtschaft bei antonius, das bedeutete damals 80 Hektar Land und 20 Kühe, dazu Schweine und 500 Gänse. Die Stallungen am Hauptgelände befanden sich in der heutigen Festscheune – aber die Zeichen standen auf Expansion. 1991 kaufte antonius den ehemaligen Bauernhof des Priesterseminars in Haimbach. Dorthin sollten die verstreut über die Stadtregion verteilten fünf Höfe der Einrichtung verlagert werden. Ziel: Wir machen alles an einem Ort – und wir machen es nachhaltig und ökologisch. 1994 waren der Ankauf und die Neubauten abgeschlossen.
Und Peter Linz startete von Anfang an mit dem Ökolandbau, oft kritisch beäugt. „Viele im Umfeld dachten, nach fünf Jahren bettel ich um Dünge- und Spritzmittel, aber ich wusste, dass ich es schaffe kann. Ich habe es mir fest zugetraut“, sagt Linz. Und er hatte Recht. Mit fachlicher Unterstützung seiner Kollegen Martin Günzel und Joschi Wahler leistete das Trio Pionierarbeit. Für den Absatz bot sich nicht nur die Vollkornbäckerei von Herbert Regulski an, sondern auch der Lebensmittelhändler tegut von Wolfgang Gutberlet, der sich bis heute als Vorreiter und Visionär biologisch erzeugter Lebensmittel versteht. Das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, eine feste Überzeugung in den eingeschlagenen Weg und eine große Zuversicht, dass sich auf dieser Basis alles fügen wird, waren für Peter Linz Zeit seines Lebens wichtige Stützen. Auch deshalb verwirklichte er gegen viel gut gemeinte Warnungen den Kartoffelschälbetrieb, der bis heute eine wichtige wirtschaftliche Säule des Hofes darstellt.
Der Überzeugungstäter der ökologischen Landwirtschaft, der „die Welt ein bisschen besser machen wollte“, wie er zugibt, sah es mit großer Freude, dass viele Landwirte seinem Weg folgten. Dabei ging es ihm nie darum, belehrend zu wirken. Linz kennt das Dilemma, in dem konventionell wirtschaftende Bauern stecken. „Denn kein Landwirt spritzt gerne die Felder oder steckt die Schweine in zu enge Ställe“, betont er. Für ihn nimmt vielmehr der Verbraucher eine Schlüsselrolle ein auf dem Weg zu einer flächendeckenden Bio-Landwirtschaft. „Jeder Käufer entscheidet selbst, wie die Landwirtschaft sich weiterentwickelt“, sagt Linz. Auch deshalb lag es ihm stets am Herzen, seinen Weg nach außen zu präsentieren. Wohl 10.000 Menschen hat er in all den Jahren über „seinen“ Hof geführt. Abgerundet wurde die Tätigkeit von Peter Linz durch sein ehrenamtliches Engagement im Bereich nachhaltiger Landwirtschaft und Inklusion. So engagierte er sich von 1998 bis 2006 im Vorstand des Bioland-Landesverbands Mitte, der die Länder Hessen Thüringen und Sachsen-Anhalt umfasst. Mitte der 1990-er Jahre arbeitete er in der Agenda 21-Kommission der Stadt Fulda, und seit 2008 schon wirkt er im Vorstand des Netzwerks ALMA, einem Verein zur Förderung des Arbeitsfeldes Landwirtschaft für Menschen mit und ohne Behinderung.
Dankbar ist Peter Linz den vielen Menschen, die in den mehr als drei Jahrzehnten mit ihm auf dem Hof gearbeitet haben. „Es waren immer die Menschen, die ich nicht enttäuschen und verlieren wollte“, sagt er sichtlich bewegt. Das mache es im Moment des Abschieds nicht ganz einfach, gibt er zu. Wenn Peter Linz über den Hof geht, begrüßt ihn überall ein freudiges Hallo und oft eine herzliche Umarmung. Auch seine Mitarbeiter werden ihn schmerzlich vermissen. Stets war ihm wichtig, Menschen mit Lernbeeinträchtigungen nicht nur eine Beschäftigung zu geben, damit sie irgendetwas zu tun haben, sondern eine echte Arbeit, die sinnvoll ist und wertschöpfend. So mopsfidel, wie sich die Gemeinschaft auf dem Hof präsentiert, ist ihm das wohl gelungen.
Wenn mit dem Jahreswechsel der Betriebsleiter zum Rentner wird, dann freut sich Peter Linz auch, dass ihm ein Stückweit Verantwortung abgenommen wird. antonius stand für ihn mehr als drei Jahrzehnte an erster Stelle. Dabei wurde das ein oder andere vernachlässigt, wie er einräumt. Seine Söhne, die Zwillinge Roman und David (38), der eine promovierter Psychologe, der andere Lehrer, werden sicherlich in Berlin und Leipzig öfter Besuch von ihrem Vater bekommen. „Da gibt es ein bisschen was nachzuholen“, räumt Peter Linz ein, der in diesem Sommer seine Berit geheiratet hat. Mit ihr wird er sicher einige Wochen im Jahr auf Teneriffa verbringen, wo seine Eltern vor 30 Jahren ein kleines Anwesen erworben haben, auf dem der Vater Südfrüchte anbaut. Dieser ist ebenso wie Peters Mutter mittlerweile pflegebedürftig, was ebenfalls einige Aufmerksamkeit des Sohnes verlangen wird.
Und so ganz lässt antonius Peter Linz nicht los. Er hat zugesagt, in der Steuerungsgruppe zur Quartiersentwicklung mitzuwirken. Außerdem arbeitet er an einem Forschungsprojekt zu einem Fleischersatzprodukt aus Ackerbohnen mit. Ende nächsten Jahres sollen voraussichtlich die ersten Prototypen verfügbar sein. So ganz geht „der Peter“ also nicht.