
(Kommentare: 0)
Gedenkfeier am 21. Juli: Erinnern, mahnen, gemeinsam Mensch sein
von Anja Hildmann
Trotz strömenden Regens versammelte sich die antonius Gemeinschaft am Montag, 21. Juli 2025, am neu gestalteten Gedenkort auf dem Friedhof, um an eine der dunkelsten Stunden der eigenen Geschichte zu erinnern – und um ein Zeichen zu setzen für Menschlichkeit, Inklusion und Wachsamkeit.
Vor genau 88 Jahren, am 21. und 22. Juli 1937, wurden 90 Bewohnerinnen und Bewohner des damaligen St. Antoniusheims von den Nationalsozialisten im Rahmen der sogenannten „Euthanasie“-Maßnahmen abtransportiert. Nur durch das mutige und entschlossene Handeln der damaligen Heimleitung und ihrer Verbündeten in Kirche und Bürgerschaft konnte rund die Hälfte von ihnen gerettet und zurückgeholt werden.
Die Gedenkfeier fand vor der Gedenktafel für die Opfer des NS-Terrors statt – einem Ort, der an Schmerz erinnert, aber auch an den Mut zum Widerstand. Der Himmel öffnete seine Schleusen, doch unter gemeinsam geteilten Regenschirmen entstand eine spürbare Verbundenheit.
Steffen Heller, Vorstandsmitglied der Bürgerstiftung antonius : gemeinsam Mensch, eröffnete die Feier und erinnerte daran, dass derselbe Tag auch der 110. Todestag von Maria Rang ist, der Gründerin des damaligen St. Antoniusheims. Ihre Vision vom wertvollen, gleichwürdigen Leben aller Menschen lebe noch heute im Stiftungsauftrag weiter. In seiner Ansprache betonte Heller: „Wachsamkeit ist auch in der heutigen Zeit noch geboten. Wir dürfen nichts dem Zufall überlassen.“
Worte gegen das Vergessen
Pater Thomas führte durch die anschließende Andacht und fand eindringliche Worte: „Für die Nationalsozialisten war das Leben von Menschen mit Behinderungen nichts wert. Die Verantwortlichen des St. Antoniusheims versuchten alles, um die Bewohnerinnen und Bewohner zurückzuholen oder zu verstecken. Das waren dunkle Zeiten, die hoffentlich nie wiederkommen.“ Mit Blick auf heutige gesellschaftliche Entwicklungen erinnerte er: „Gleichgültigkeit ist nichts Menschliches.“
Rosemarie Müller las einen Auszug aus der Schwesternchronik vor, der einen bewegenden Einblick in das Geschehen jener Tage gab. Musikalisch wurde die Gedenkfeier begleitet vom Lied „Die Kinder von Izieu“ von Reinhard Mey – ein musikalisches Denkmal für ermordete Kinder in der NS-Zeit.
Ein besonderes Moment war das Gebet, das Pater Thomas aus Sicht eines Betroffenen umgeschrieben hatte. Darin hieß es zum Schluss: „Hilf uns, füreinander einzustehen, denn wir finden nur gemeinsam zum Leben.“ Die Zeile fasst zusammen, was auch heute noch notwendig ist – nicht einfach wegzuschauen, sondern Verantwortung zu übernehmen, Menschlichkeit zu leben.
Zum Abschluss erklang das Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“, bevor Pater Thomas die Feier mit klaren Worten beendete: „Der Auftrag, der aus ‚gemeinsam Mensch‘ entsteht, ist klar: Wir müssen denen entgegenstehen, die andere herabwerten. Das ist heute wieder nötiger denn je.“
Die Gedenkfeier war nicht nur ein stilles Erinnern, sondern auch ein Aufruf zur Haltung. In einer Zeit, in der Ausgrenzung und Menschenverachtung wieder laut werden, macht antonius deutlich: Jeder Mensch ist kostbar – damals wie heute, immer und überall.
Fotos: Steffen Waßmann