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„Marbach ist schon lange inklusiv“

von Christine Reith

Fast vierzig Jahre lang haben die Menschen der WG Martin von antonius in Marbach auf das angrenzende Nachbarhaus geschaut – und von einer Erweiterung ihrer Gemeinschaft geträumt. Durch den Einsatz engagierter Marbacher ist es nun gelungen, dort eine weitere WG zu gründen. Das „Diegmüllerhaus“ bietet Platz für fünf Menschen im Betreuten Wohnen – einer von ihnen ist der 21-jährige Paul Giltjes, der hier zum ersten Mal eigenverantwortlich und selbstbestimmt lebt.

150 Quadratmeter, fünf Zimmer, drei Bäder, zwei Etagen: Rein zahlenmäßig ist das neue Wohnhaus von antonius in der ruhigen Wohnstraße „Am Hang“ in Marbach kein großes Ding. Besonders am neuen Objekt „Diegmüllerhaus“ ist vielmehr, wie viel Selbstbestimmung es seinen Bewohnerinnen und Bewohnern ermöglicht und wie es zu einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Assistenzbedarf wurde: Nach dem Tod der Vorbesitzer-Familie Diegmüller erfahren zwei „Moarbicher“ Bürger – ein Nachbar und sein Cousin – von dem Interesse der antonius Gemeinschaft an dem benachbarten Gebäude der seit fast vierzig Jahren bestehenden WG Martin. Sven Schultheis und Fabian Hillenbrand beschließen kurzerhand, das Haus zu kaufen, umzubauen und zu guten Konditionen an antonius zu vermieten.

2023 wurde der Mietvertrag unterschrieben. Mittlerweile haben vier Personen im Diegmüllerhaus ein neues Zuhause gefunden, in einem Zimmer lebt gerade jemand zur Probe. Das Erdgeschoss bewohnt ein junges Pärchen mit Hörbeeinträchtigung, kommendes Jahr steht die Hochzeit an. Beide sind berufstätig und erhalten Unterstützung durch ein festes Team an Assistenzkräften, die täglich stundenweise ins Haus kommen – ebenso wie die beiden jungen Männer, die sich das Erdgeschoss teilen.

Freiheit mit doppeltem Boden

Einer von ihnen ist Paul Giltjes (hier auf den Fotos im blauen Pulli), der rundum zufrieden mit seiner neuen Wohnsituation ist. Der 21-jährige mit Lernbeeinträchtigung fährt täglich zum antonius Hof nach Haimbach, wo er im Hofcafé eine Ausbildung zur Servicekraft absolviert. Anders als im Kinderhaus von antonius, wo er zuvor lebte, hat er in Marbach alle Freiheiten, lebt unabhängig und selbstbestimmt. „Ich bin jetzt erwachsen und kann hier wie jeder andere Erwachsene alles selbst entscheiden“, sagt der junge Mann. „Wenn ich Lust darauf habe, kann ich auch mal ein Radler trinken, muss nicht zu einer bestimmten Uhrzeit zuhause sein und kann mein Handy jederzeit benutzen.“ Außerdem hat sich Paul Giltjes in eine Bewohnerin der benachbarten WG Martin verliebt und das junge Paar genießt das autonome Zusammensein. „Die vier jungen Menschen, die bisher ins Diegmüllerhaus eingezogen sind, führen ihr Leben weitestgehend eigenverantwortlich“, beschreibt es WG-Leiter Stefan Wald. „Zugleich bietet ihnen die Assistenz durch Sozialpädagoginnen und -pädagogen eine Art doppelten Boden. Im Notfall ist immer jemand da, der Hilfestellungen bietet, mal mit nach den Finanzen schaut oder bei der Hausarbeit unterstützt. Mit Wohnformen wie im Diegmüllerhaus bietet antonius eine flexible Antwort auf individuelle Wohnbedürfnisse – und das mitten in einem gewachsenen Wohngebiet. So verstehen wir Inklusion.“

Gelebtes Miteinander

Neben seinem Zimmer steht Paul Giltjes auch ein eigenes Bad, eine Küche und der Gemeinschaftsraum zur Verfügung – etwa zum gemeinsamen Computerspielen, um Freunde einzuladen oder für das monatliche Haustreffen. Auch Marbach selbst hat viel zu bieten: Ein reges Vereinsleben, einen Döner-Laden, eine Trampolinhalle und viel Natur. „Das Schöne an Marbach ist, dass es schon lange inklusiv ist und alle ganz selbstverständlich mit uns umgehen“, berichtet Stefan Wald, der seit 36 Jahren für antonius in Marbach im Einsatz ist – heute als Inklusionsnetzwerker, Leiter der WG Martin und des Betreuten Wohnens in Marbach. „Wir gehören einfach zum Dorf dazu, sind bei Feierlichkeiten wie der Kirmes oder Musikfest dabei, gehen hier zur Kirche und pflegen einen super Kontakt zu unseren Nachbarinnen und Nachbarn. Unaufgeregt – so kann man das Verhältnis beschreiben, und es gibt kein schöneres Kompliment, denn Normalität ist das Ziel aller Inklusionsbemühungen von antonius.“

Einweihungsfest am 27. April
Um das neue Diegmüllerhaus von antonius offiziell einzuweihen, ist am Samstag, 27. April 2024, ab 12 Uhr ein Fest geplant, auf das sich die ganze Hausgemeinschaft freut. Eingeladen sind neben Angehörigen auch Nachbarinnen und Nachbarn sowie Partner der WG und des Netzwerks antonius. Pater Thomas von den Franziskanern wird als Seelsorger von antonius die Hausgemeinschaft segnen – für ein friedliches, glückliches Miteinander.

Auf dem Bild oben zu sehen sind die Bewohnerin und Bewohner (von links): Paul Giltjes, Cornelius Ciré, Domenika Stang und Robin Hoflender leben hier im Betreuten Wohnen zusammen.

Fotos: Ralph Leupolt

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