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Mit Worten Barrieren abbauen

von Christine Reith

Angenommen, man sitzt in einem Vortrag und versteht etwas nicht. Vielleicht weil Fachbegriffe benutzt werden oder zu schnell gesprochen wird. Menschen mit Lernbeeinträchtigung – und auch viele andere – erleben das häufig. Um in so einem Fall dezent auf eine bessere Verständlichkeit hinzuweisen, ohne einfach in den Raum hineinrufen zu müssen, hat der Wohnrat von antonius eine spezielle Postkarte entworfen. Mit der Karte können Zuhörende um Erklärungen in Leichter Sprache bitten, also in einer einfachen Form des Deutschen. Mehrere Akteure unterstützen das Vorhaben und möchten dazu beitragen, dass die Karte „Stopp! Bitte Leichte Sprache“ bei vielen Gelegenheiten in Fulda zum Einsatz kommt.

Die Karte erfüllt zwei Funktionen: Die rote Vorderseite der Karte, versehen mit einem Stoppschild und dem Logo für Leichte Sprache, dient den Zuhörenden als Hilfsmittel, um bei Besprechungen oder Veranstaltungen darauf hinzuweisen, dass etwas nicht verstanden wird. Auf der Rückseite stehen die wichtigsten Regeln für Leichte Sprache kurz erklärt, also etwa langsam sprechen, kurze Sätze bilden, Fachwörter erklären und auf alles Komplizierte wie Verneinungen, Passiv oder Ironie verzichten. Sie dient also als einfache Anleitung, um Botschaften für alle gut verständlich zu formulieren. Die Idee: Rednerinnen und Redner lesen sich die Karte vorher durch und korrigieren sich, wenn die Karte im Publikum hochgehoben und das Verständigungsproblem benannt wird. Wer eine barrierefreie Veranstaltung plant, kann die Karten bereits zu Beginn auslegen und nach kurzer Erklärung zur Verwendung das Publikum um aktive Nutzung bitten.

Leichte Sprache bringt Inhalte klar auf den Punkt

„Viele Menschen denken bei der Forderung nach mehr Barrierefreiheit nur an Rampen für Rollstühle oder ein Leitsystem für Blinde“, sagt Sergej Stintmann vom antonius Wohnrat, der Interessenvertretung der Bewohnerinnen und Bewohner bei antonius. „Es gibt aber auch viele Menschen, die ihren Alltag vor allem deswegen nicht selbstständig bewältigen können, weil wichtige Informationen zu schwer formuliert sind. Hier setzt die Leichte Sprache an.“

Die Regeln für Leichte Sprache wurde von und für Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt. Leichte Sprache konzentriert sich auf das Wesentliche und erleichtert die schriftliche und mündliche Kommunikation. Hiervon profitieren neben Menschen mit einer Behinderung auch Personen mit psychischen Erkrankungen oder Demenz sowie all jene, die noch geringe Deutschkenntnis oder wenig Lese- und Schreiberfahrung besitzen. Leichte Sprache bedeutet daher für alle auch mehr Teilhabe, Selbstbestimmung und Inklusion.

Europäischer Protesttag für mehr Inklusion

Sergej Stintmann, Bewohner von antonius und Mitglied im Wohnrat, hat die Leichte Sprache-Karte anlässlich des europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai 2024 nach Fulda geholt und neu designt. Zuvor hatten alle Mitglieder vom antonius Wohnrat sich Gedanken gemacht, wie sie auf sprachliche Barrieren aufmerksam machen und zur Verwendung von Leichter Sprache motivieren könnten – um Informationen leichter zugänglich zu machen und so eine selbstständige Lebensführung zu ermöglichen.

„Mit der Aktionskarte möchten wir dazu beitragen, dass in Fulda auch Menschen mit einer nicht sichtbaren Behinderung bei Inklusion und Barrierefreiheit mehr berücksichtigt werden“, sagt Sergej Stintmann. „Wir wünschen uns, dass die Karte in Zukunft an möglichst vielen Orten in Fulda zum Einsatz kommt – zum Beispiel bei Ämtern und Behörden, in Schulen und Vereinen, bei Schulungen und natürlich auch bei allen möglichen Veranstaltungen und Situationen, bei denen es darauf ankommt, dass das Gesagte auch wirklich verstanden wird.“

Die unterstützenden Akteure, darunter der Beirat der Menschen mit Behinderung der Stadt Fulda, die Fachstelle Vielfalt und Teilhabe sowie der Verein „Welcome In! Fulda e.V.“ und der Caritasverband für die Diözese Fulda helfen bei der Verteilung der Karten und bewerben diese auch in verschiedenen Kontexten. Dank einer Förderung durch die Aktion Mensch sind die Karten kostenlos erhältlich.

Hier können die Leichte Sprache-Karte in Fulda kostenlos abgeholt werden:
antonius Wohnrat: Treffpunkt Wohnen von antonius (An St. Kathrin 4, Mo-Do von 8-16 Uhr, Fr von 8-12 Uhr)
Caritas: Werkstatt in der St.-Vinzenz-Straße 52, Mo-Fr von 8-15 Uhr
Welcome In! Wohnzimmer: Robert-Kircher-Str. 25
Fachstelle Vielfalt und Teilhabe: Behördenhaus am Heinrich-von-Bibra-Platz 5-9
Auch ein Versand ist auf vorherige Anfrage per Mail unter wohnrat@antonius.de möglich.

Lesetipp: Beinahe jede Woche veröffentlicht der Deutsche Bundestag eine Beilage in Leichter Sprache: „leicht erklärt!“ liegt der Zeitung „Das Parlament“ bei, beschäftigt sich mit aktuellen politischen Themen und wird von antonius erstellt.

Auf dem Bild oben sind zu sehen (von links): Elvira Storch (stellvertretende Vorsitzende Beirat der Menschen mit Behinderungen, kurz BMB, der Stadt Fulda), Nadine Sann (BMB), Volker Büchel (BMB), Manuela Pleterschek (stellvertretende Vorsitzende BMB), Birgit Dabringhausen (Magistrat der Stadt Fulda, Fachstelle Vielfalt und Teilhabe), Hildegard Leiter (antonius Wohnrat), Lea Widmer (Vorsitzende BMB), Jochen Kohlert (Welcome In!, Koordinator Stadtteiltreff Fulda Innenstadt), Markus Reiter (Ressortleiter der Eingliederungshilfe und Teilhabe, Caritasverband für die Diözese Fulda), Sergej Stintmann (antonius Wohnrat, Ersteller grafisches Design der Karte), Martin Schneider (Caritasverband für die Diözese Fulda, Einrichtungsleitung Werkstatt St. Vinzenzstraße und Teilwerkstatt Ratgarstraße), Michael Weber (antonius Wohnrat) und Susann Kuppardt (Assistenz antonius Wohnrat). Foto: antonius.

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