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Solidarisches Wohnen neu gedacht

von Bastian Ludwig

Tiny Houses, Senioren-WGs, gemeinschaftliches Wohnen auf dem Bauernhof und vieles mehr: Wohnen befindet sich im Wandel. Im Vielklang neuer Wohnideen tritt die Bürgerstiftung antonius : gemeinsam Mensch an, einen besonderen Akzent zu setzen – und zwar mit dem Projekt „Gartenhäuser“, das solidarisches Wohnen mit einer langen Wohntradition und einer einzigartigen Haltung verbindet.

Gelegen auf dem Hauptgelände von antonius, dem sogenannten antonius Quartier, steht seit dem Jahr 2014 das Gartenhaus. Auf den ersten Blick würde man kaum vermuten, dass hinter der schlichten, aber heimeligen Holzfassade in Braun und Weiß eine völlig neue Art des gemeinschaftlichen Zusammenlebens erprobt wird – und das so erfolgreich, dass bis 2024 vier weitere solcher Mehrparteienhäuser entstehen und noch zusätzliche in Planung sind.

„Die Gartenhäuser sind die Antwort auf eine Frage, die antonius seit vielen Jahren umtreibt: Was bedeutet soziales Wohnen wirklich?“, erklärt Rainer Sippel, Geschäftsführender Vorsitzender der Bürgerstiftung antonius : gemeinsam Mensch.

Und ein entscheidender Teil dieser Antwort lautet wie folgt: Einige der Wohnungen sind für Menschen mit Behinderungen vorgesehen, die aufgrund ihrer finanziellen Situation oder rechtlicher Vorgaben nur schwer ein barrierefreies Zuhause mit hoher Wohnqualität finden. Diese Wohnungen werden subventioniert, indem andere Mieterinnen und Mieter freiwillig einen höheren Preis zahlen.

„Sozial ist da, wo der Starke dem Schwachen hilft“, bringt Sippel dieses Konzept auf den Punkt, das mit seiner solidarischen Kostenverteilung auf einem Ideal des Zusammenlebens fuße, das sich bei antonius in langen Jahren des gelebten sozialen Miteinanders entwickelt habe.

 

antonius – eine Nachbarschaft mit 120-jähriger Geschichte

1904 gründete die Fuldaerin Maria Rang antonius mit dem Ziel, Menschen mit Behinderungen ein würdiges Leben zu ermöglichen. Zu dieser Zeit ein Heim im klassischen Sinne, entwickelte sich die Einrichtung in den folgenden Jahrzehnten zu einem vielfältigen Netzwerk mit den unterschiedlichsten Wohnformen nebst vielen weiteren Angeboten – darunter Betriebe, Märkte und kulturelle Veranstaltungen, Cafés und ein Bio-Laden, Schulen, eine Kita und zwei Seniorentagesstätten. Ganz dem Gedanken verpflichtet, dass Gesellschaft nur in der Begegnung und im Miteinander funktionieren könne, so erklärt es Sippel, habe antonius seine Angebote nach und nach für alle Bürgerinnen und Bürger geöffnet. Das Hauptgelände von antonius sei auf diese Weise zum antonius Quartier, einem aktiven Stadtviertel Fuldas geworden.

Pater Thomas, seines Zeichens Franziskaner und Seelsorger von antonius pflichtet Sippel bei. „Im antonius Quartier treffe ich immer auf jemanden, der mir unvoreingenommen begegnet und der mir Interesse entgegenbringt“, erklärt er das besondere Lebensumfeld, das hier geschaffen wurde. „Das ist ein Wert, den es weiterzuentwickeln lohnt.“ Dieses über viele Jahrzehnte hinweg kultivierte Miteinander sei der Quell, aus dem sich das Projekt „Gartenhäuser“ speise. Die Qualitäten, die antonius in seiner Geschichte als Wohnort entwickelt habe, sollen aufgegriffen und von den Bewohnerinnen und Bewohnern in die Zukunft getragen werden.

 

Wohnen der Zukunft – modern und gemeinschaftlich

Bestätigt wurde dieser Weg laut Rainer Sippel auch durch die Erfahrungen während der Corona-Pandemie. Menschen mit Behinderungen, die in Wohnangeboten von antonius in der Fuldaer Innenstadt lebten, hätten von zunehmender Einsamkeit berichtet. Der Kontakt zu Nachbarn sei durch die Maßnahmen eingeschränkt gewesen, viele Menschen hätten sich ins Familiäre zurückgezogen und seien mit eigenen Sorgen und Problemen beschäftigt gewesen, worunter die nachbarschaftliche Gemeinschaft gelitten habe. Diese Entwicklung laufe dem Ideal von antonius zuwider. Im Konzept der Gartenhäuser sehe Sippel deswegen eine Möglichkeit, dem etwas entgegenzusetzen, denn „bei antonius heißt es: Leben in der Gemeinschaft, nicht jeder für sich selbst.“

Abstriche in den klassischen Wünschen an modernes Wohnen müsse man dabei aber nicht machen. Sippel skizziert, auf was sich die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner freuen dürfen: Die Gartenhäuser liegen nahe der Fuldaer Innenstadt und sind infrastrukturell gut angebunden. Jedes Haus ist ein architektonisches Einzelstück, und die barrierearmen Wohnungen zwischen 45 und 100 Quadratmetern sind modern ausgestattet. Die aus hochwertigen Baumaterialien errichteten Häuser strahlen mit ihrer holzverkleideten Fassade Gemütlichkeit und Naturnähe aus. Sie liegen verstreut in einer großzügigen Parklandschaft, die als Erholungs- und Begegnungsraum gedacht ist. Dank einer Tiefgarage bleibt das Gelände autofrei und steht so den Menschen zur Verfügung.

 

Das antonius Quartier – ein Ort gelebter Solidarität

„Wer in eines unserer Gartenhäuser einzieht“, so betont Sippel, „erhält aber viel mehr als nur vier Wände und ein Dach über dem Kopf – er oder sie wird Teil einer vielfältigen, lebendigen und bunten Nachbarschaft. Und er bekommt die Gelegenheit, gemeinschaftlich etwas aufzubauen.“ Gewünscht ist deswegen, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der Gartenhäuser nicht nur die vielfältigen, fußläufigen Angebote des antonius Quartiers ins Anspruch nehmen, sondern dass sie ein aktiver Teil des Netzwerks werden. Sie sollen sich mit ihren Ideen, ihren Fähigkeiten und ihrem Engagement einbringen, zum Beispiel in Form eines Ehrenamtes. Darin komme die Überzeugung von antonius zum Ausdruck, dass Gemeinschaft Geben und Nehmen bedeute.

Zu den Bewohnerinnen und Bewohnern der Gartenhäuser, so der Wunsch der Projektverantwortlichen, sollen alle Generationen, Singles, Paare und Familien, verschiedene Kulturen und natürlich Menschen mit und ohne Behinderungen gehören. 2024 werden sie in ihr neues Zuhause einziehen. Dann soll das antonius Quartier um eine weitere Nachbarschaft ergänzt werden, in der Solidarität, Gemeinschaft und gegenseitige Zugewandtheit gelebter Alltag sind.

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