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Jugendliche erleben Inklusion am Frauenberg
von Christine Reith
Nur wenige junge Leute haben Kontakt zu Menschen mit Behinderungen. Um das zu ändern – und um zugleich die Klassengemeinschaft zu stärken – besuchten alle fünften Klassen der Rabanus-Maurus-Schule für je einen Teambuilding-Tag das Kloster Frauenberg. Angeleitet durch ein inklusives Team haben die rund hundert Gymnasiasten Gemeinschaftsaufgaben bewältigt und sind in drei Arbeitsbereichen selbst kreativ geworden.
Das Kloster Frauenberg ist nicht nur Wahrzeichen, Franziskanersitz und spirituelle Begegnungsstätte, sondern auch ein wichtiger Inklusionsort für Fulda. Um zu erleben, wie hier Menschen mit und ohne Behinderungen ganz selbstverständlich zusammen arbeiten und leben, haben Fünftklässlerinnen und Fünftklässler der Rabanus-Maurus-Schule (Domgymnasium) je einen Tag lang den Frauenberg besucht. Die Projektwoche vom 26. bis 30. Juni 2023 ist Teil einer Kooperation zwischen der Schule und dem Netzwerk antonius.
Teambuilding und Inklusionserfahrung
„Der Frauenberg ist ein bunter und vielfältiger Ort, an dem es nicht nur viel zu entdecken gibt, sondern an dem die antonius-Vision von einer inklusiven Gesellschaft bereits Realität ist“, erklärt Philipp Krah, Abteilungsleiter Frauenberg. „Zusammen mit den Franziskanern wohnen und arbeiten hier die unterschiedlichsten Menschen miteinander – friedlich, respektvoll und auf Augenhöhe. Diesen Aspekt wollten wir den Kindern mit auf den Weg geben, und zwar vermittelt durch ganz viel Spaß und positive Gemeinschafts-Erlebnisse.“ Schulleiter Sven Müller vom Domgymnasium ergänzt: „Eigentlich hatten wir ‚ganz normale‘ Teamtage bei antonius angefragt, um den Zusammenhalt in den im vergangenen Jahr frisch zusammengesetzten fünften Klassen zu fördern. Dass antonius die Themen Inklusion, Vielfalt und Menschlichkeit mit eingebracht hat, ist für uns unglaublich bereichernd und festigt die seit Jahren bestehende Kooperation.“
Frauenberg-Rallye und kreative Aktionen
Nach der Begrüßung am Morgen des jeweiligen Projekttages durch Pater Cornelius, der als Guardian die Franziskaner am Frauenberg leitet und früher selbst das Domgymnasium besucht hat, wurden die Jugendlichen bei einem kleinen Spiel nach dem Zufallsprinzip in Gruppen eingeteilt. Zuerst stand eine Frauenberg-Rallye mit Teamchallenges auf dem Programm, die die Mitarbeitenden mit Behinderung erarbeitet hatten: Im Kloster bauten die Jungen und Mädchen einen möglichst hohen Turm aus Zeitungspapier und Kreppband, am Weiher lösten sie per Pantomime ein Rätsel, und im Atelier des Tagungshotels gestalteten sie gemeinsam Leinwände, die später im Klassenraum aufgehängt werden können. Bei einer Vertrauensübung ging es darum, sich mit verbundenen Augen durch den Park führen zu lassen – oder jemanden zu führen und somit Verantwortung für eine andere Person zu übernehmen.
Anschließend ging es in die Arbeitsbereiche: Zusammen mit den inklusiven Teams dekorierten die Schülerinnen und Schüler in der Konditorei Kekse, nähten in der Schneiderei ein Lavendelkissen und bauten im Garten ein Insektenhotel. Alle Werke durften mit nach Hause genommen werden – als Erinnerung an den besonderen Tag –, und immer wieder erfuhren die Teilnehmenden etwas Neues aus dem inklusiven Arbeitsalltag am Frauenberg. Zum Beispiel, dass sich die Mitarbeitenden in der Konditorei im Gespräch mit einer bestimmten Kollegin dieser immer direkt zuwenden, weil sie schlecht hört und von den Lippen abliest. Oder dass eine Kollegin mit Lernbeeinträchtigungen aus dem Gartenbereich auch Fremde freudestrahlend und sehr direkt anspricht, was erstmal ungewohnt sein kann.
Berührungsängste abbauen und Diskriminierung verhindern
Ein Mittagessen gemeinsam mit den Mitarbeitenden mit und ohne Behinderungen beendete den Projekttag. „An allen Stationen haben die Jugendlichen mit großer Begeisterung mitgemacht und es war ein toller Teamspirit spürbar“, sagt Christian Bayer vom antonius Führungsteam. „Unser Konzept – zum Beispiel, dass die Klassenlehrkräfte die Aktionen nur beobachtend begleiten und stattdessen unsere Mitarbeitenden mit Behinderungen die Gruppenleitung übernehmen – hat sehr gut funktioniert. Wir sind uns sicher: Durch solche Begegnungen können Berührungsängste abgebaut und Diskriminierungen verhindert werden.“
Andere Schulen sind herzlich eingeladen, mit antonius Kontakt aufzunehmen und das Projekt in vergleichbarer Weise durchzuführen. Ansprechpartner ist Philipp Krah, Leiter vom Tagungskloster und Flora Klostercafé auf dem Frauenberg (0661-1095229, P.Krah@frauenberg-fulda.de).
Enge Partner
Das Domgymnasium und antonius haben vereinbart, eine langfristige Partnerschaft zur Förderung einer aktiven demokratischen Zivilgesellschaft einzugehen. Ziel ist es, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu bekämpfen, Schwellenängste abzubauen und einen toleranten Umgang zu etablieren. Seit 2010 betreibt antonius die Schul-Cafeteria, die regionale Arbeitsplätze für Menschen mit und ohne Behinderungen sowie gleichzeitig inklusive alltägliche Begegnungen ermöglicht. Immer wieder gibt es Austausch zwischen antonius und der Schulgemeinschaft – etwa beim Sozialpraktikum oder Auftritten der schuleigenen Big Band bei Veranstaltungen von antonius. Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ hat die Teamtage am Frauenberg finanziell unterstützt.
Auf dem Bild oben zu sehen sind Schülerinnen udnd Schüler der Klasse 5c sowie Mitarbeitende vom Frauenberg zusammen mit Geschäftsführer Christian Bayer und Abteilungsleiter Frauenberg Philipp Krah von antonius, Schulleiter Sven Müller und Klassenlehrer Philipp Schubert vom Domgymnasium sowie Guardian Cornelius Bohl und Ordensjahr-Absolvent Peter Roberg von den Franziskanern.
Fotos: Marzena Seidel