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Von Fulda nach Suceava, Rumänien

Bericht von einem Hilfskovoi für ukrainische Flüchtlinge

 

Felix Müller leitet die Schreinerei von Perspektiva, in der Jugendliche sich in der Arbeit mit Holz ausprobieren können. Gemeinsam mit Christoph Hendler, dem Ehemann einer Mitarbeiterin von antonius, war er Fahrer im ersten von bisher sechs Hilfsgüterkonvois, die der Fuldaer Verein der Köche e. V. für Flüchtlinge aus der Ukraine auf die Beine gestellt hat. Er fuhr in einem Sprinter der Gärtnerei von antonius, beladen mit Hilfsgütern, die zuvor in unserem Netzwerk gesammelt worden waren. Ziel des Transports war die Stadt Suceava im Nordosten von Rumänien, nur zwanzig Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Hier berichtet Felix Müller von seiner Fahrt.

 

Von Felix Müller
aufgezeichnet von Bastian Ludwig

 

Los ging es am 3. März, einem Donnerstag, um 4 Uhr in der Früh. Zwei LKW und sieben Sprinter waren für diese erste Tour zusammengekommen. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Auch Köche des Vereins der Köche e. V. waren dabei. Eingeplant waren für den Hin- und Rückweg etwa 40 Stunden. Wir ahnten noch nicht, wie sehr wir die überschreiten würden. Bei der Hinfahrt mussten wir erst mal ein bisschen improvisieren. Um die beste Route zu finden, gaben wir nicht etwa unseren Zielort Suceava in Rumänien ins Navi ein, sondern entschieden uns für einzelne Etappen: erst nach Regensburg, dann nach Wien, anschließend über Budapest zur ungarisch-rumänischen Grenze und von dort dann nach Suceava.

Schon bald merkten wir, dass wir den Konvoi nicht die ganze Strecke über würden zusammenhalten können. Die Fahrer der LKW mussten strengere Pausenzeiten als die Sprinter-Fahrer einhalten, unser Fahrzeug war bei einer Geschwindigkeit von 83 km/h gedrosselt. So teilte sich der Konvoi mit der Zeit in kleinere Grüppchen auf. Das Dumme daran: Das Verpflegungsfahrzeug, ein Wohnmobil mit Anhänger, war bei den anderen. Christoph und ich mussten uns also auf Tankstellen selbst um unsere Verpflegung kümmern, aber das geht ja auch ganz gut. Als Konvoi zusammengefunden haben wir dann erst am Abend in Ungarn, wo wir alle im selben Hotel übernachteten.

Die Fahrt am Freitag lief dann ähnlich wie am Tag zuvor, wobei spätestens in Rumänien selbst die besten Straßen weit entfernt waren von Autobahnen und eher an Bundes-, meist aber an Landstraßen erinnerten. Dadurch kamen wir natürlich nicht mehr so schnell voran. Gegen 22 Uhr trafen wir in Suceava ein – 40 Stunden Fahrzeit hatte wir veranschlagt, 42 waren schon um, und das für nur die Hälfte der Strecke.

Nun ja, dafür waren wir aber endlich angekommen. Die Situation in Suceava stellte sich allerdings ganz anders dar, als wir uns das vorgestellt hatten. Eigentlich hatten wir gedacht, dass die Köche die ukrainischen Flüchtlinge bekochen und wir unsere Hilfsgüter verteilen würden. Das Problem war nur: Es waren gar keine ukrainischen Flüchtlinge vor Ort.

Wir erfuhren dann erst einmal, wie die Flüchtlingshilfe in Suceava organisiert ist. Flüchtlinge, die aus der Ukraine kommen, halten sich gar nicht längere Zeit in dem kleinen rumänischen Städtchen auf. Stattdessen gehen sie zu einer von mehreren über die Stadt verteilten Stellen, an denen Hilfsgüter gelagert werden. Dort werden sie mit dem Nötigsten ausgestattet, bevor sie sich auf die Weiterreise begeben.

Unsere Anlaufstelle war dann auch nicht wie erwartet eine größere Halle, in der Flüchtlingen untergebracht waren, sondern ein Second-Hand-Laden, dessen Eigentümer in Eigenregie Flüchtlingshilfe in Suceava organisierte, da er Verwandte in der Ukraine hatte. Ich habe ihn gefragt, ob er so nah an der Grenze zur Ukraine Angst hätte, aber er meinte nur, für Angst sei keine Zeit, jetzt müsse man einfach erst mal den Flüchtlingen helfen.

Wir haben dann also einen Teil unserer Ladung in einen Lagerraum über dem Laden untergebracht. Das lief auch richtig gut, denn die Kinder des Ladenbesitzers packten kräftig mit an. Da im Lagerraum nicht genug Platz war, wurden die restlichen Hilfsgüter in eine nahe gelegene Kirche verladen.

Für die Köche war das natürlich ein bisschen enttäuschend, denn sie hatten ihre Kochausrüstung erst einmal umsonst mitgeschleppt. Und ein Teilnehmer des Konvois, der eigentlich Flüchtlinge mit nach Deutschland nehmen wollte, beschloss, noch ein paar Stunden länger in Suceava zu bleiben, um auf die nächste Flüchtlingsgruppe zu warten.

Die nächste Herausforderung bestand darin, genug Betten für die vierzehn Leute aus unserem Konvoi zusammenzubekommen. Ein Teil von uns konnte beim Inhaber des Second-Hand-Ladens schlafen, die LKW-Fahrer in ihren LKW. Christoph und ich hatten Glück, denn es gab ja noch das Verpflegungsfahrzeug, wie schon erwähnt ein Wohnmobil. Dessen Eigentümer und Fahrer Ralf Dimmerling bot uns an, bei ihm zu übernachten, was wir gerne annahmen.

Am Samstag machten wir uns um 6 Uhr in der Früh auf die Rückfahrt. Für die schlossen wir uns mit Ralf zusammen, was sich noch mehrfach als Glücksfall erweisen sollte. Die Fahrt durch Rumänien war dann auch ganz angenehm, Ralf hatte noch ein paar Vorräte dabei, und so konnten wir nach einigen Stunden Fahrt erst mal frühstücken. Probleme gab es erst, als wir an der Grenze nach Ungarn ankamen. Die ungarischen Grenzbeamten ließen nämlich niemanden rüber. Hier sahen wir auch zum ersten Mal ukrainische Flüchtlinge. Eigentlich wollten die meisten wohl weiter nach Westen, aber durch die geschlossene Grenze saßen sie erst einmal fest. Das rumänische Rote Kreuz war vor Ort und versorgte die Leute, so gut es ging, und auch wir verteilten den größten Teil der Lebensmittel, die wir noch dabeihatten. Dreieinhalb Stunden mussten wir warten, bis man uns nach Ungarn rüber ließ. Andere Mitglieder unseres Konvois, die es an einem anderen Grenzübergang versucht hatten, haben wohl sogar sieben Stunden warten müssen.

Während wir durch Ungarn fuhren, erhielten wir die Nachricht, dass ein anderer Teilnehmer unsere Konvois ein Problem mit seinen Bremsen hatte. Mit einer Stunde Umweg sind wir dann noch zu ihm gefahren, um zu sehen, ob wir helfen können. Leider konnten wir das nicht.

Der Rest der Fahrt verlief problemlos. Die Nacht verbrachten wir wieder im Wohnmobil, am Sonntag waren wir gegen 15 Uhr in Regensburg, wo wir uns in einer Raststätte erst mal Currywurst und Schnitzel gönnten. Um 22 Uhr kamen wir in Fulda an – 90 Stunden nach unserer Abfahrt. Ich war total erschöpft. Man macht sich keine Vorstellung, wie so eine Reise schlaucht. Mein Chef bei Perspektiva hat mir dann erst mal ein paar Tage frei gegeben, damit ich mich erholen konnte.

Die Reise war schon eine echte Erfahrung. Der Verein der Köche e. V. will demnächst ein Helferfest für alle Beteiligten – Fahrer, diejenigen, die die Fahrzeuge beladen haben, und diejenigen, die sich inzwischen hier in Fulda um eingetroffene Flüchtlinge kümmern – ausrichten. Da werden wir bestimmt noch die eine oder andere Anekdote aus diesen spannenden 90 Stunden zu hören bekommen.

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