Foto: Markus Krawcyk

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"Wenn nicht wir, wer dann?"

Ein Blick in die Einkaufswägen zeigt: Biologische und regionale Lebensmittel werden immer beliebter. Die Menschen wünschen sich wieder mehr Bezug zu dem, was sie essen, und legen Wert auf Frische, Geschmack und Nachhaltigkeit. Auf dem antonius Hof gehen wir noch einen Schritt weiter und erfüllen darüber hinaus noch einen gesellschaftlichen Auftrag – hier arbeiten Menschen mit Beeinträchtigungen bei der Erzeugung der regional vermarkteten Bio-Lebensmittel mit. Ein Konzept für die Zukunft?

Der Tag auf dem antonius Hof in Haimbach beginnt früh. Morgens um fünf gehen die ersten Mitarbeiter zum Melken. Das Team ist inklusiv, Menschen mit und ohne Behinderungen arbeiten Seite an Seite. Jeder – so die Kernidee – soll hier eine wertvolle Arbeit finden, die zu ihm passt. Arbeit gibt es auf dem großen Hof genug, von einfachen Aufgaben wie Hofkehren oder Stallausmisten bis zu komplexen Tätigkeiten wie Traktorfahren oder Tierpflege. Mehr noch als auf konventionellen Betrieben muss in der Bio-Landwirtschaft vieles von Hand erledigt werden.

Jeder wird gebraucht

Fachkräfte wie Landwirte und Arbeitspädagogen leiten die Helfer mit Behinderungen an und sorgen dafür, dass jeder sich nach seinen Möglichkeiten und Bedürfnissen entwickeln kann. Talente und Fähigkeiten werden gestärkt, wozu auch die Arbeit in und mit der Natur beiträgt. „Die feste Tagesstruktur, der direkte Bezug zum eigenen Leben und die Arbeit mit den Tieren sind unmittelbar sinnstiftend“, berichtet Peter Linz, Leiter des antonius Hofs. „Wir erleben bei unseren Mitarbeitern eine große Leidenschaft für ihre Arbeit, die für körperlich herausfordernde Arbeit bei Wind und Wetter auch unabdingbar ist.“

antonius als Impulsgeber und Denkfabrik

Auch die Anforderungen von außen an die soziale Landwirtschaft sind herausfordernd. Anders als in anderen europäischen Ländern kommt aus der Politik wenig Unterstützung. Zwar steigt bei den Verbrauchern die Nachfrage nach regionalen Bio-Produkten. Doch noch sind wenige bereit, für sozial verträglich produzierte Lebensmittel mehr zu zahlen. Der antonius Hof mit seinen hundert Mitarbeitern ist deswegen auf Förderungen angewiesen. „Unser Ziel ist es nicht, der größte Agrarbetrieb der Region zu werden oder maximale Gewinne zu erwirtschaften“, erklärt antonius-Geschäftsführer Rainer Sippel. „Wir verstehen uns – wie in allen Bereichen unseres Netzwerkes – auch bei der Landwirtschaft als Impulsgeber, Wissensvermittler und Denkfabrik für zukunftsweisende Lösungen. Der antonius Hof ist ein beispielhaftes Konzept, das zeigt, wie eine Kombination aus regionaler, biologischer und sozialer Landwirtschaft funktionieren kann und wie sehr Mensch und Natur davon profitieren.“

Bio für Fulda – seit mehr als 30 Jahren

Als Bürgerstiftung hat antonius stets seine Verantwortung für die Region und die Fuldaer Bürger im Blick. Aus dieser Perspektive lag es schon vor 30 Jahren auf der Hand, die Produkte regional zu vertreiben und den antonius Hof ökologisch zu bewirtschaften. Seitdem sind artgerechte Tierhaltung, Wirtschaften in Kreisläufen und der Aufbau von Bodenfruchtbarkeit wichtige Anliegen. „Bio ist eine ethische Frage, für die es aus unserer Sicht schon damals, als Bio noch exotisch war, keine Alternative gab“, blickt Rainer Sippel zurück. „Außerdem konnten wir natürlich nicht mit Menschen mit Behinderungen arbeiten und gleichzeitig chemische Pestizide oder synthetischen Dünger ausbringen. Wenn nicht wir, wer dann?, haben wir uns gedacht und den Betrieb entsprechend umgestellt.“

Zu der Rolle als Vorbildprojekt gehören auch die enge Vernetzung mit vielfältigen Partnern sowie Lobbyarbeit auf gesamtgesellschaftlicher Ebene – etwa durch die Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Politik oder Fachgremien und Netzwerken. Während heute viele Bauernhöfe räumlich und sozial isoliert agieren, pflegt der antonius Hof – einer der letzten von ehemals 30 Haimbacher Bauernhöfen – seine Beziehungen auch auf regionaler Ebene mit viel Engagement. Nachbarn, Familien und Besuchergruppen sind auf dem Demonstrationsbetrieb immer willkommen und dürfen sich jederzeit in den Ställen und auf dem Hofgelände umsehen. Regelmäßig finden Events und Feste mit vielen Besuchern statt.

Begegnung und Gemeinschaft stärken

Im Juli 2019 eröffnet antonius ein Hofcafé, in dem die Dorfgemeinschaft, interessierte Bürger und Mitarbeiter mit Behinderungen ganz selbstverständlich zusammenkommen können. „Früher haben die Menschen in einem Dorf wie Haimbach eng zusammengelebt und sich unterstützt. Diese Haltung möchten wir wiederbeleben und kultivieren“, sagt Betriebsleiter Peter Linz. Eng ist auch die Zusammenarbeit mit anderen Landwirten. antonius berät diese zur sozialen Landwirtschaft, es gibt Maschinen- und Produktionsgemeinschaften und Menschen von antonius arbeiten in befreundeten Betrieben mit, was zur Öffnung des Arbeitsmarkts beiträgt.

 „Am Beispiel des antonius Hofes kann man sehen, wie Ökologie, Ökonomie und soziale Verantwortung ineinanderfließen. Die Natur wird geschont, der ländliche Raum gestärkt, Menschen mit Behinderungen können gleichberechtigt teilhaben, und der Verbraucher erhält gesunde und leckere Produkte“, resümiert antonius-Geschäftsführer Rainer Sippel. „Wir sind froh, dass wir diesen Weg eingeschlagen haben und setzen darauf, dass das Konzept Wellen schlägt. Wir hoffen, dass sich die Marktwirtschaft so entwickelt, dass soziales Arbeiten stärker honoriert wird und weitere Betriebe motiviert, so zu arbeiten. Vielleicht legen die Menschen irgendwann genauso viel Wert auf ‚sozial produziert‘ wie heute auf Bio und regional? Wir wünschen es uns von Herzen.“

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