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Wer tagsüber was schafft, ist abends geschafft
von Bastian Ludwig
„Hier gibt es immer viel zu tun, und ich mag eigentlich alle Arbeiten.“ So beschreibt Louisa Schreiber ihre Tätigkeit im Bereich Gemüseanbau der antonius Gärtnerei, und wer das von sich behaupten kann, der scheint seinen Platz in der Arbeitswelt gefunden zu haben. Die Suche danach begann für die 26-Jährige, die mit einer Lernschwierigkeit lebt, nachdem sie die inklusive Antonius von Padua Schule beendet hatte und auf die Startbahn, die Arbeitsschule von antonius, gewechselt war. Auf der Startbahn konnte Frau Schreiber verschiedene Arbeitsbereiche für sich austesten. Dabei wurde – wie immer bei antonius – der Ansatz verfolgt, nicht zu schauen, was jemand nicht kann, sondern seine Stärken, Talente und Potenziale herauszufinden.
Auf der Suche nach dem richtigen Arbeitsbereich
Schon zuhause arbeitete Frau Schreiber immer gern im familieneigenen Garten mit, wie sie erzählt. Und ihr Vater Thomas ergänzt: „Sie geht nicht so gern spazieren, aber sie liebt es, in der Natur zu sein und ihre Umgebung zu beobachten, zum Beispiel im Zoo.“ Auch für die Versorgung der Familienhühner ist sie zuständig.
Schnell richtete sich das Augenmerk deswegen auf die Landwirtschaft und den Gartenbau. Nach Probearbeiten auf dem antonius Hof und in der antonius Gärtnerei war schnell klar: Die Gärtnerei sollte es sein. Hier fand Frau Schreiber eine Arbeitsumgebung, an die sie mit diesen Fähigkeiten und Interessen andocken konnte.
Im August 2018 ging es los. Mit einer Assistentin erwarb Frau Schreiber Teilqualifikationen des Gärtnerberufs. Sie lernte zu säen, Unkraut aus Saatkulturen zu jäten, reifes Gemüse zu erkennen und zu ernten und vieles mehr. Mit zusätzlicher Unterstützung übte sie, mit ihren Kräften hauszuhalten, um über einen ganzen Arbeitstag hinweg leistungsfähig zu sein. Außerdem steigerte sie ihre Konzentrationsfähigkeit.
Wachstum durch Herausforderungen
An die Herausforderungen der Anfangszeit erinnert sich Thomas Schreiber noch ganz genau. „Räumliche Orientierung ist für Louisa immer eine Herausforderung. Sie muss erst einmal lernen, wo sich was befindet. Mittlerweile bekommt sie das in der Gärtnerei aber gut hin.“ Außerdem musste Frau Schreiber mit den neuen Kolleginnen und Kollegen warm werden. „Gegenüber ihr unbekannten Menschen ist sie immer etwas reserviert“, so Thomas Schreiber. Mittlerweile fühlt sie sich im Kollegenkreis aber äußerst wohl. Das kann sie selbst nur bestätigen. „Ich finde es schön, im Team zu arbeiten.“ Geholfen hat Frau Schreiber dabei, dass sie ein sehr freundlicher, fröhlicher und hilfsbereiter Mensch ist. Ist sie mit ihrer eigenen Arbeit fertig, hat aber noch Zeit übrig, fragt sie zum Beispiel bei ihren Kolleginnen und Kollegen, ob die noch Unterstützung benötigen.
Dass Frau Schreiber in der antonius Gärtnerei den richtigen Arbeitsort gefunden hat, erkennt man auch daran, wie sie von ihrer Arbeit erzählt. „Wir erfahren von ihr jeden Abend, was sie alles gemacht hat“, sagt Thomas Schreiber. „Was sie zum Beispiel gesät oder geerntet hat, und wer dabei war.“ Und könne sie einmal nicht zur Arbeit gehen, bedauere sie dies mit den Worten: „Ich muss schnell wieder hin. Die brauchen mich.“
Die brauchen mich: Drei kleine Worte, in denen sich ein ganzes Selbstbild entfaltet. Es zeigt: Frau Schreiber ist sich bewusst, dass sie ein wichtiger Teil der Wertschöpfungskette und eine geschätzte Kollegin ist. Und es verdeutlicht, mit wie viel Selbstbewusstsein und Ernst sie ihre Tätigkeit in Angriff nimmt.
Normalisierung als Konzept
Das alles gelang, weil man bei antonius nicht nur Frau Schreibers Fähigkeiten, sondern auch ihre Potenziale in den Blick nahm, und für sie die richtigen Aufgaben, die richtige Arbeitsumgebung und das richtige Team fand. Entscheidend dabei: Frau Schreiber wurde so geachtet, wie sie war, und selbstverständlich in die alltäglichen Arbeitsprozesse eingebunden. Normalisierung ist hier das Stichwort. Dabei ist es das Ziel, für Menschen mit einer geistigen Behinderung Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ihnen ermöglichen, ihren Lebens- und in diesem Fall Arbeitsalltag auf ganz gewöhnliche Weise zu gestalten.
In der antonius Gärtnerei wird dieses Prinzip mit einem Maximum an Pragmatismus umgesetzt. „Wir schauen, was die Menschen können und was sie brauchen, um ihre Arbeit zu erledigen“, erklärt Michael Galandt, Leiter des Bereichs Gemüseanbau. „Und wenn wir dann wissen, dass jemand eine Aufgabe beherrscht, dann wird er einfach in den Arbeitsablauf aufgenommen.“ So erledige Frau Schreiber mittlerweile Aufgaben in den unterschiedlichsten Arbeitsprozessen des Gemüseanbaus. Manchmal, so sagt sie nicht ohne Stolz, sei sie dann abends auch ganz schön kaputt. Aber wen wundert’s. Wer tagsüber was schafft, ist abends halt auch mal geschafft. Ein ganz normaler Arbeitsalltag eben.
Arbeit für alle Menschen – Ihre Spende hilft!
Frau Schreibers Werdegang und viele ähnliche Geschichten waren für die St. Antonius-Stiftung Anlass, das Projekt er:wachsen ins Leben zu rufen. Das Motto: Arbeit für alle in der antonius Gärtnerei. Dafür soll in Fulda-Haimbach ein Gewächshaus als Arbeitsort entstehen. Neu gestaltete Arbeitsplätze und ein innovatives Konzept werden es ermöglichen, dass die unterschiedlichsten Menschen ihre Potentiale entfalten und diese wirksam in einen Arbeitsprozess einbringen können. So wie Louisa Schreiber.
Bitte helfen Sie uns mit Ihrer Spende das Leuchtturmprojekt er:wachsen — einen Arbeitsort für alle — in die Tat umzusetzen! Wir danken Ihnen von Herzen.
SPENDENKONTO
St. Antonius Stiftung
Stichwort: erwachsen
Sparkasse Fulda
IBAN: DE06 5305 0180 0040 0313 21
BIC: HELADEF1FDS