„Stille Hilfen“ für Menschen in Not
Nachbarschaftliches Engagement in Rommerz gibt Zugewanderten neue Perspektiven
Eigentlich wollen sie nicht viel Aufhebens um ihr Engagement machen. Denn für andere Menschen einzustehen, gilt im Neuhofer Ortsteil Rommerz als Selbstverständlichkeit. Eine rege Nachbarschaft unterstützt beispielweise mit vielfältigen Aktivitäten geflüchtete Familien.
In Rommerz scheint die Welt noch in Ordnung: Nachbarinnen und Nachbarn mähen bei einer älteren Dame den Rasen, backen Kuchen für den Kirchenbasar oder beschenken sich mit Obst aus dem eigenen Garten. Ein musterhaftes Beispiel für die gut funktionierende Nachbarschaft ist der Einsatz für eine Familie aus Eritrea, die im ehemaligen Pfarrhaus ein neues Zuhause gefunden hat.
Im Jahr 2017 entschied die Kirchengemeinde, den 60er-Jahre-Bau auf dem Gelände der Kirche an christliche Flüchtlinge zu vermieten. Seitdem kümmern sich in der Nachbarschaft viele Menschen um das Ehepaar mit den sechs Kindern zwischen drei und 21 Jahren – sei es sozial oder ganz praktisch am Haus.
Eine Nachbarin und ein Nachbar geben den Kindern Deutschunterricht, begleiten die Mutter zu Arztbesuchen, helfen bei Anträgen und Behördengängen oder unterstützen die älteren Kinder bei der Praktikumssuche und Ausbildung. Mehrmals die Woche sehen sie die Familie und helfen, wo eben Hilfe nötig ist. „Wer Menschen aufnimmt, übernimmt auch Verantwortung“, lautet das Credo von Petra Lester, Hubert Möller und Wolfgang Ruppel. Menschlichkeit und Mitgefühl sind der Antrieb.
Andere Freiwillige packen vor allem am Gebäude tatkräftig an. Sie haben das Haus, als die Familie damals ankam, komplett eingerichtet – von Möbeln über Haushaltsgeräte bis zur Bettwäsche. Seitdem helfen sie immer wieder bei technischen oder handwerklichen Problemen, bauten schon eine neue Küche ein oder reparierten die Heizung. Im vergangenen Jahr hat die Gemeinschaft das Dach des ehemaligen Pfarrhauses komplett in Eigenleistung gedeckt. So wird das Gebäude auch für die Zukunft erhalten. Dutzende Helfer packten mit an, und die Frauen des Dorfes haben die Verpflegung übernommen. „Denn das macht niemand für Geld, sondern für das Gemeinschaftserlebnis, zu dem auch gutes Essen dazugehört“, sagen übereinstimmend Simone Kern und Nicole Will.
Durch die diversen Hilfen, die auch von der Kirchengemeinde und der Katholischen Kirchengemeinschaft Deutschlands (kfd) unterstützt werden, hat die Familie im Pfarrhaus gute Perspektiven entwickelt: Die Kinder sind in Schule und Sportverein integriert, der Vater hat eine Festanstellung, alle lernen Deutsch. Der älteste Sohn ist Kfz-Mechatroniker und eine Tochter macht die Ausbildung zur Pharmazeutisch-technische Assistentin. Die Familie ist beliebt im Ort – auch, weil sie liebevoll zu ihren Kindern und allgemein sehr freundlich ist und sich selbst aktiv einbringt, etwa bei der Pflege des Kirchengeländes.
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Neben der eritreischen Familie unterstützen die Rommerzer auch Familien, die aus der Ukraine nach Deutschland kamen. Zu Kriegsbeginn wurde hier quasi über Nacht ein Helfernetz mit Erstbegrüßung, Unterbringung und Kleiderkammer aufgebaut. Mittlerweile sind die meisten weggezogen, doch eine ukrainische Familie ist in Rommerz geblieben und wird weiter nachbarschaftlich unterstützt.
In Rommerz gilt: Wer Bedarfe oder Not sieht, wird tätig. Wo Probleme sind, werden sie gelöst. Wer eine Idee für ein Projekt hat, sucht sich Gleichgesinnte. Und das alles pragmatisch, unkompliziert und gerne unter dem Radar. Umso überraschender war die Nominierung für den Nachbarschaftspreis Fulda – ein Lob, das den Beteiligten fast zu viel der Aufmerksamkeit war. Doch das mögliche Preisgeld würde helfen, das Dachprojekt des Pfarrheims endgültig abzuschließen. Und so freut sich Rommerz – ganz bescheiden – über jede Stimme.